LAMY Specs Vol. 5 - Zauber gebundener Zeit
Die Edition LAMY dialog urushi fängt die Faszination ostasiatischer Lackkunst in einer einzigartigen Tetralogie ein.
Bernstein, der honigfarbene Schmuckstein aus fossilem Harz, in dem sich manchmal Einschlüsse urzeitlicher Flora und Fauna finden lassen, birgt eine besondere Faszination – als eine Art Fenster, durch das wir in die Urzeit blicken.
Ein ähnlicher Zauber haftet Urushi an, jenem natürlichen Lack, der im ostasiatischen Kunsthandwerk seit Jahrtausenden verwendet wird. In der japanischen Mythologie wird Urushi mit Unsterblichkeit in Verbindung gebracht, da er, einmal ausgehärtet, schier unverwüstlich ist. Auch in ihm scheint die Zeit gebunden und zugleich aufgehoben. Aufgetragen in zahlreichen transluzenten Schichten, die hauchdünn aufgebracht und
poliert werden, entfaltet der Lack einen Tiefeneffekt, der ihm eine unvergleichliche, auratische Schönheit verleiht. „Urushi ist ein unglaublich faszinierendes Material. Die Idee lag nahe, einen Füllhalter mit diesem Lack zu gestalten“, erzählt Marco Achenbach, verantwortlich für Marken und Produktstrategie bei Lamy. Entstanden ist nicht nur ein Füllhalter, sondern eine Tetralogie – die Edition LAMY dialog urushi. Lediglich 33 Sets dieser kostbaren Edition existieren, handgefertigt von den beiden Urushi-Meistern Manfred Schmid aus Deutschland und Norihiko Ogura aus Japan. Jedes dieser Sets beinhaltet vier Unikate: vier Jahreszeiten, vier einzigartige Interpretationen des Füllhalters LAMY dialog 3.
Urushi, neu interpretiert: Für die Edition LAMY dialog urushi haben die beteiligten Künstler teils eigene Verarbeitungsweisen entwickelt und auf dem Füllhalter erstmals zur Anwendung gebracht.
Urushi: Tradition und Moderne
Der japanische Begriff „Urushi“ bezeichnet gleichermaßen das Material – oft auch Japanlack oder Chinalack genannt – wie auch die Technik, mit der es verarbeitet und aufgetragen wird. Diese hat im ostasiatischen Raum, insbesondere Japan, China und Korea, eine jahrtausendealte Tradition und wird bis heute als kulturelles Erbe gepflegt. Vor etwa 400 Jahren gelangten die ersten Objekte in Urushi nach Europa. Die Faszination für das Material und die scheinbar unendliche Tiefe,
die sich unter seinem Glanz verbirgt, führten dort zur Herausbildung einer eigenständigen europäischen Lackkunst. Originärer Urushi-Lack, dessen Materialqualitäten bis heute unerreicht sind und trotz zahlreicher Versuche nie imitiert werden konnten, ist jedoch erst seit Beginn des 20. Jahrhunderts in Europa verfügbar. Seit den 1920er Jahren wird das Kunsthandwerk an der Escola Massana in Barcelona sowie an der Kunstakademie in Paris gelehrt.
Die Bearbeitung eines einzigen Füllhalters erfordert mehrere Monate. Denn zwischen den Arbeitsschritten, dem Auftragen, Schleifen und Polieren der bis zu zwölf Lackschichten, vergehen oft mehrere Tage des Trocknens.
Traditionell werden insbesondere exklusive Alltagsgegenstände mit Urushi veredelt, etwa Schalen, Teller, Essstäbchen oder Schatullen. Trägermaterialien sind üblicherweise Holz, Bambus und Metall, aber auch Textilien und Leder können damit beschichtet werden. Denn anders als chemische Lacke bleibt Urushi auch nach dem Aushärten flexibel. Der Aufbau eines Lackobjekts erstreckt sich über lange Zeiträume, oft über Jahre oder gar Generationen hinweg: Mehrere Grundierungsschichten werden gefolgt von einer Vielzahl hauchdünner Lackschichten, von denen eine jede aushärten muss und anschließend poliert wird. Wie lange die Trocknung dauert, lässt sich nie exakt vorhersagen. Das Material bestimmt den Takt.
Die Zeit, die in die Herstellung von Urushi-Objekten fließt, ist ein Grund für ihre Kostbarkeit. Ein anderer ist das Material selbst, dessen Gewinnung aufwändig und nur in Handarbeit möglich ist.
Es handelt sich um den harzigen Baumsaft des ostasiatischen Lackbaums, der aus der Rinde von etwa zehn Jahre alten Bäumen gezapft wird. Pro Saison gibt jeder Baum nur eine kleine Menge des zähflüssigen Rohstoffs preis. Danach wird er gefällt und kann erst nach einer erneuten Wachstumsphase von zehn Jahren wieder angezapft werden. Im naturbelassenen Zustand ist Urushi bernsteinfarben und wird für die Verarbeitung gereinigt und eingefärbt – klassischerweise in den Farben Rot und Schwarz.
In der Natürlichkeit von Urushi liegt auch der vielbeschworene Eigensinn des Lacks begründet. Seine Verarbeitung erfordert viel Erfahrung und Sensibilität und bleibt doch zu einem gewissen Grad unberechenbar. Lässt sich der Lack durch den Menschen bändigen? Ein Urushi-Meister würde sagen: Es ist umgekehrt.