Vertrautes neu entdecken
Die Ausstellung „thinking tools“ gibt Einblicke in den Designprozess von Lamy. Zugleich beleuchtet sie die Rolle von Schreibgeräten als Medium und Ausdrucksmittel – prominent unterstützt durch Christoph Niemann.
Orangerot leuchtend thront sie inmitten des Raumes. Konzentriert tritt Liwei näher an die filigrane Konstruktion heran und greift zu seinem Smartphone. „Das sind ja lauter Lamys! Sieht aus wie eine riesige Feuerkoralle.“ Er beugt sich vor, sucht nach dem perfekten Winkel, um das Motiv einzufangen. Der Designstudent aus Hongkong ist einer der Besucher der Wanderausstellung „thinking tools“ – und die Koralle eine Skulptur, die nach Entwürfen des Künstlers Christoph Niemann gebaut wurde. Sie setzt sich aus rund 2500 Füllhalterkomponenten zusammen, die dafür in einer speziellen Sonderfarbe produziert wurden.
Mit ihren dichten Verästelungen lässt die fast zwei Meter hohe Installation nicht nur an eine überdimensionale Koralle aus der Tiefsee denken. Manch einer mag sich auch an ein neuronales Netz erinnert fühlen, an ein vielschichtiges Zusammenspiel aus Nervenzellen und
Synapsen. Am Fuße der Installation mündet das verzweigte Gebilde in einem einzelnen Füllhalter, dessen Feder eine gerade Linie auf einem Blatt Papier zieht.
„Die Skulptur ist ein Bild für die Komplexität kreativer Prozesse“, erzählt Christoph Niemann, dessen Zeichnungen regelmäßig auf den Titelseiten renommierter Magazine wie The New Yorker, The New York Times oder Wired zu sehen sind. Für Lamy hat er Illustrationen und Installationen entwickelt, die ausschließlich in der Ausstellung zu sehen sind. „Diese verlaufen nicht linear, sondern fast immer über Umwege. Viele Einfälle führen in eine Sackgasse und man beginnt wieder von vorn – bis sich schließlich die eine, gute Idee herauskristallisiert“, so Niemann.
Darin unterscheidet sich die Kunst nicht von der Gestaltung eines Schreibgeräts: Auch Produktdesign ist das Ergebnis eines komplexen Prozesses – umso mehr, wenn es den Anspruch hat, ebenso funktional wie ästhetisch zu sein. Doch was macht „gutes“ Produktdesign eigentlich aus – und wie entsteht es?
Diese Frage beantwortet die Ausstellung „thinking tools“ anhand von Schreibgeräten, die zu Ikonen geworden sind: Vom LAMY 2000, der 1966 das Lamy-Design begründete, bis hin zu Bestsellern wie dem LAMY safari oder LAMY noto. Im Vordergrund stehen dabei nicht die fertigen Produkte, sondern der Prozess ihrer Entstehung:
Zahlreiche Zeichnungen, Modelle und Prototypen aus dem Lamy-Archiv dokumentieren die vielen Schritte, die zwischen Konzeption, Entwurf, Realisierung und Vermarktung liegen.
Die Arbeiten von Christoph Niemann ergänzen die Ausstellung um humoristische Statements, die zur Reflexion anregen und auf die zweite Bedeutungsebene des Ausstellungstitels verweisen. Sie beleuchten die Rolle von Schreibgeräten als „thinking tools“: Als Werkzeuge, die uns dabei helfen, unsere Gedanken zu fassen und zu formen.
„thinking tools. Design als Prozess – Wie Schreibgeräte entstehen“
3. März – 8. April 2018 21_21 Design Sight, Tokio (Japan)
Ausstellungskonzept, -design und -inszenierung: Meiré und Meiré
Creative Direction: Mike Meiré
Kurator (Lamy-Designprozess): Prof. Dr. Klaus Klemp
Künstlerischer Beitrag: Christoph Niemann