Von Meisterhand: Manufaktur bei Lamy
Die menschliche Hand ist ein evolutionärer Geniestreich. Ihre Präzision und Sensibilität sind einzigartig. Deshalb ist sie auch bei der Herstellung von Schreibgeräten unverzichtbar.
Vermögen es die Finger eines Pianisten, den 88 Tasten eines Klaviers die unterschiedlichsten Klangfarben zu entlocken, so ist dies nicht allein Virtuosität und Talent zu verdanken – sondern auch einem komplexen Geflecht von Nervenzellen und Rezeptoren. Unsere Hände, allen voran die sensiblen Fingerspitzen, erfühlen jede noch so feine Regung – Druck, Reibung, Vibration – und leiten sie innerhalb von Millisekunden an unser Gehirn weiter.
Unsere Hand tastet, spürt – und lernt. Das hat sie den meisten Maschinen voraus, die Prozesse zwar präzise, doch auf immer gleiche Weise ausführen.
Und sie hat einen Komplizen, der ihre Sinneseindrücke auf kongeniale Weise ergänzt: das Auge.
Im Werk von Lamy nimmt die Manufaktur daher trotz fortschreitender Technisierung noch immer einen wichtigen Stellenwert ein. Hand und Auge übernehmen dort, wo Erfahrung und buchstäbliches Fingerspitzengefühl gefragt sind: bei Fein- und Detailarbeit, wie dem Schleifen oder Polieren von Oberflächen, bei der Montage empfindlicher und kleinteiliger Komponenten, in der Qualitätskontrolle.
Modelle, die viel Handarbeit erfordern, sind beispielsweise der LAMY imporium, der LAMY studio, der LAMY dialog 3 oder auch der LAMY 2000. „Für jedes Produkt gibt es in unserem Werk speziell eingerichtete Arbeitsplätze, an denen nur einige wenige, speziell geschulte Mitarbeiter tätig sind“, sagt Geschäftsführer Peter Utsch, der im Unternehmen für Fertigung und Logistik verantwortlich ist. Das ist heute nicht anders als früher. „Die Arbeitsplätze für den LAMY 2000 beispielsweise bestehen seit über 50 Jahren – und sind im Prinzip unverändert.“
Die besondere, matt gebürstete Oberfläche des LAMY 2000 wird durch mehrfaches Schleifen und Polieren erzeugt. Ein Prozess, bei dem das Schreibgerät von Hand über die Schleifbahn geführt wird. „Die besondere Herausforderung liegt darin, eine absolut ebenmäßige Oberfläche zu erzielen“, so Utsch. Dies gilt besonders am Übergang zwischen dem Korpus, der aus Makrolon besteht, und dem Griffstück, das aus Edelstahl gefertigt wird. „Das erfordert ein fein ausgeprägtes Gespür und ein geschultes Auge, das man nur mit viel Übung erwirbt.“
Mithilfe einer Lupe werden Goldfedern sorgfältig auf Kratzspuren und Druckstellen geprüft.
Nicht weniger anspruchsvoll ist die Fertigung des Füllhalters LAMY dialog 3. Dieser kommt ohne Kappe aus – dank eines Drehmechanismus, mit dem die Schreibfeder versenkt werden kann. Bei erneuter Drehung gleitet die Feder aus dem Inneren heraus, während sich gleichzeitig der Clip auf die Hülle senkt. Um die Präzision dieses Bewegungsablaufs sicherzustellen, ist Handarbeit unabdingbar: Das Federaggregat wird bei jedem einzelnen LAMY dialog 3 individuell angepasst, sodass Feder und Clip exakt in einer Linie verlaufen.
Auch bei der Fertigung der Federn – insbesondere der Goldfedern – spielt Handarbeit eine wichtige Rolle. „Es gibt ein einfaches Prinzip“, sagt Peter Utsch. „Komponenten, die unsere Sinne nah und unmittelbar ansprechen, können auch nur von einem Menschen hinsichtlich ihrer Qualität beurteilt werden.“
Dies trifft in besonderer Weise auf die Schreibfeder zu, die den wohl größten Einfluss auf das individuelle Schreibgefühl hat. „Das Anschreiben der Federn geschieht immer per Hand, denn die Beurteilung ihrer Qualität beruht auf dem Zusammenspiel diverser Sinneseindrücke.“ Gleitet die Feder geschmeidig über das Papier, ist der Tintenfluss gleichmäßig, das Schriftbild klar und ohne Aussetzer? „Undenkbar, diesen Prozess einer Maschine zu überlassen.“ Deshalb verlässt man sich bei Lamy auch im 21. Jahrhundert auf die einzigartigen Fähigkeiten der menschlichen Sinne, der Augen und – der Hand.
Einschreiben der Goldfedern von Hand